Digitale Kommunikation 2015-2020: Die BARsession Dortmund auf Zeitreise

Die Zahl der digitalen Geräte in unserem Alltag nimmt zu. Fitness-Armbänder, GoPro-Kameras und natürlich das Smartphone begleiten uns im Beruf und in der Freizeit. Das Bedürfnis des Menschen sich mitzuteilen, ist ihm in die Wiege gelegt. “Die Menschen können nicht nicht kommunizieren”, betonte Frank Tentler, Social Media Marketing Experte, in seinem Vortrag „Mobile only“ bei der ausverkauften BARsession Dortmund am 14. Dezember im Daddy Blatzheim im Westfalenpark.

120 Teilnehmer waren gespannt und begleiteten den Top-Speaker aufmerksam auf seiner Zeitreise in den digital-analogen Erlebnisraum.

Aber warum teilen die Menschen so gerne ihr Erlebtes? Was bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft? Inwiefern verändern die technischen Errungenschaften das tägliche Leben? In welche Richtung gehen die technischen Entwicklungen? Welche Verantwortung tragen Social Media Manager im digitalen Wandel? Alles Fragen, zu denen Frank Tentler durchdachte Hypothesen lieferte.

Zu viele Daten – zu wenig Aufmerksamkeit für das Einzelne

“90% aller Daten werden von uns mit dem Smartphone produziert”, so Tentler. Aktuell sei “mobile first” für Marketing-Verantwortliche deshalb selbstverständlich. “Aber bis zu mobile only ist es nicht mehr weit”, prognostiziert der Experte. Weiteres Phänomen: Die Reaktionszeit sinkt von Jahr zu Jahr. Entschieden noch vor ein paar Jahren 4 Sekunden darüber, ob eine Website gut oder schlecht ist, sind es heute nur noch 2 Sekunden.

“Mit legalen, vernünftigen Maßnahmen ist es deshalb kaum noch möglich, Aufmerksamkeit zu generieren”, weiß der Inhaber einer Social Web Company. Zu viele Menschen verbreiten ihre Botschaften im Netz. Die einzelnen Post gehen unter. Das sei auch das Problem von Social Media Managern. Sein Tipp: “Im Schwarm kann man sehr viel erfolgreicher agieren, als als einzelner Fisch. Deshalb ist das Netzwerken so wichtig.”

Das (Social) Web: ein digital-analoger Erlebnisraum

Basis von Tentlers’ Thesen ist das Buch der Autoren Robert Scoble und Shel Israel: Age of Context: Mobile, Sensors, Data and the Future of Privacy (2013). Die Autoren analysieren darin die fünf Kräfte, die in der neuen digitalen Welt eine große Rolle spielen werden:

1. Mobil
2. Social Media
3. Daten
4. Local Based Technology
5. Sensoren

Für Frank Tentler greifen die Kräfte nicht weit genug. Er ergänzt deshalb die Psychologie und Soziologie als sechstes Feld, das den Erlebnisraum stark beeinflusst.

6. Psychologie/Soziologie

1. Mobil

“Aus den Mobil-Media-Falle kommen wir nicht mehr heraus”, sagt Tentler und präsentiert als Beweis ein Bild der Papstwahl 2005 im Vergleich zu 2013. Vor 10 Jahren keine Kameras, 2013 erleuchten Tausende von Smartphones den Platz. So ist der Mensch. “Wenn wir etwas erleben, wollen wir uns allen mitteilen”, weiß Tentler. Seine Prognose: Andere Interaktionen bis hin zum direkten Augenkontakt werden sich reduzieren. Es wird zu einem Bruch kommen zwischen der Welt, wie wir sie kennen und der “Internet of Things” wie beispielsweise dem intelligenten Kühlschrank, der weiß, welche Lebensmittel fehlen und diese entsprechend im Supermarkt ordert.

“Internet of Everything”
Doch der Weg geht weiter, bis hin zum “Internet of Everything”. “Der Schuh, der bemerkt, dass wir den Fuß falsch abrollen. Dieses wird über eine App dem Orthopäden mitgeteilt, der sich dann bei uns meldet für eine Terminabsprache”, schildert Frank Tentler. Apps werden zu Schaltungen, die uns mehr und mehr Arbeit abnehmen. Der Trend geht zu “Smart-Agence”, die personalisierten Komfort anbieten. Diese “Genies” offerieren eine Filterblase an individuellen Lösungen. Alles was außerhalb ist, sehen wir dann nicht mehr, so Tentlers Hypothese.

Mobil ist das neue Desktop
Der Computer ist irrelevant geworden. Das Smartphone wird in Zukunft auf am Arbeitsplatz eine größere Rolle spielen. “Alle Formen von Handeln, die diesen Gesetzen nicht folgen, werden nicht gesehen”, vermutet Frank Tentler.  Seine These: “Mobil ist das neue Desktop”. Wer sich nicht mobil ausrichtet, fällt in ein bis zwei Jahren durch das Raster. Die größten Ängste der Menschen: kein Wlan, keine Bandbreite und kein Akku-Ladegerät verfügbar.

Tentlers Tipp: Einige Museen bedienen sich schon dieser neuen menschlichen Verhaltensmuster und bieten sowohl kostenloses Wlan als auch Akku-Ladestationen an. Ziel dieser Marketingmaßnahmen: Die Besucher teilen so viele Bilder aus dem Museum wie möglich im Social Web und machen auf diese Weise Werbung.

2. Social Media

Tentlers Befürchtung ist, dass Digital Natives heutzutage weniger eigenständig nachhaken. Haben sie Fragen, gehen sie radikal vor und suchen schnelle Lösungen über das Smartphone. “Es wird wenig hinterfragt, Lösungen werden über Keywords und Hashtags gesucht”, sagt Frank Tentler auf der BARsession Dortmund.

Seiner Ansicht nach wird diese Entwicklung auch nachhaltig Auswirkung auf die Entwicklung der zukünftigen Gesellschaft haben, wenn nicht ein Umdenken stattfindet. Besonders diejenigen, die im Social Web beruflich agieren, seien in der Verantwortung auch das Web mit sinnvollen Inhalten zu füllen, so sein Appell in die BARsession-Runde. Dabei nehme er, Frank Tentler, sich nicht aus.

Überspitzt schilderte Tentler in der folgenden Videosequenz, wie junge Erwachsene Probleme mit ihrem Smartphone lösen und wo die Gefahren dabei sind:

3. Big Data

“Kennen Sie den Film Matrix? Im Grunde befinden wir uns in dieser Welt. Jeder unserer Schritte wird aufgezeichnet.” Düstere Aussichten, die Frank Tentler für einen kurzen Moment auf der BARsession Dortmund heraufbeschwört. Dabei seien die Daten nicht auf dem eigenen Smartphone, sondern auf fremden Servern gespeichert. Umso wichtiger ist es, dass Menschen, die in dieser Welt arbeiten, diese Tatsachen erkennen, aus Neuerungen lernen und die Vorteile für sich nutzen. Sein Tipp für Social Media Managern und Marketing-Verantwortliche: ein professionelles Social Media Command Center für die Abwicklung, die Organisation der verschiedenen Kanäle, das Controlling und Monitoring.

4. Local Based Technology

Dank dieser Technologie interagieren Smartphones schon heute mit der Umgebung. Dabei werden zukünftig jedoch nur noch jene Informationen angezeigt, die für den Einzelnen relevant sind. Voraussichtlich Anfang 2017 werden die intelligente Smart-Agence technisch so ausgereift sein, dass sie jedem individualisierte Angebote aus der Umgebung unterbreiten. Dabei kommen nicht neue Apps dazu, sondern der Trend folgt anderen Gesetzen. “Das App-Denken wird verschwindet. Vergleichbar wie schon heute bei Facebook. Schickt man eine persönliche Nachricht, wechselt man unmerklich in den Messenger”, erläutert Frank Tentler seine Visionen auf der BARsession Dortmund.

Beacons sind ein weiterer Trend, der auf dem Vormarsch ist. Diese Technologier kann man als Weiterentwicklung von Bluetooth sehen. Man braucht also einen Sender und einen Empfänger. Visionär gesehen, können Läden mit Beacons ausgestattet werden. Der Besucher, der einen Empfänger über ein App in seinem Smartphone installiert hat, kann überall im Laden lokalisiert werden. Den Kunden können je nachdem wo sich sich aufhalten, ganz individuelle Angebote unterbreitet werden. Vorstellbar ist mit dieser Technologie auch eine automatische Bezahlung, damit das Anstehen an der Kasse überflüssig wird.

5. Sensoren

Heute befinden sich 14 Sensoren im Smartphone wie Touch Screen, Camera (Front und Rückseite), Near Field (NFC), WiFi, Barometer etc. In Kombination werden nicht mehr als zwei genutzt. Hier sei noch viel verstecktes Potential, dass in den nächsten Jahren nutzbar gemacht wird, ist sich Frank Tentler sicher.

6. Psychologie/Soziologie

Nach Tentler funktioniert das Social Web wie eine permanente Belohnungsmaschine. In diesem Zusammenhang bringt er auf der BARsession Dortmund den Pawloschen Reflex ins Spiel. Der Mensch postet ein Foto, das er gut findet und wird über die Likes digital über den Kopf gestreichelt. Diese Belohnung wollen die Menschen immer wieder bekommen. “Wollen wir wirklich der Hund sein, der nach einem Like sabbert? “, fragt Tentler überspitzt in die Runde. Die Gesichter im Daddys Blatzheim sprechen für sich. Jeder scannt kurz: Will ich das? Ja oder nein?

Aber kaum ist der eine Gedanke abgeschlossen kommt schon der nächste. Warum bleiben Menschen an bestimmten Websiten, Apps und Spielen? Was steckt dahinter? Gibt es zukunftweisende Erkenntnisse? Eines ist klar, es ist einfacher bestehende Kunden an sich zu binden, als neue zu halten. Tentler stellt in diesem Zusammenhang die Hooked (Haken) -Stratgie des amerikanischen Autors und Experten für Psychologie Nil Eyal vor. In seinem Buch “Hooked: Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen” (2014) beschreibt Nil Eyal den vierstufigen Prozess, der aus “Auslöser”, “Handlung”, “Variabler Belohnung” und “Investition” besteht.

Mit der Marketing-Kampagne den gesamten Customer Journey abdecken

Wer erfolgreich Kampagnen durchführen will, muss sich in Zukunft eines fortlaufendes Customer Experiance Management bedienen. Tentlers Tipp: In Bezug auf die Kommunikation den Weg des Kunden vor, während und nach dem Besuch begleiten, sei es durch bezahlte oder eigene Kommunikationsmedien. Darüber hinaus gilt es Daten (z. B. E-Mail-Adresse) des Kunden während seiner gesamten Reise zu sammeln. Die Daten können dann für weitere taktische Maßnahmen (z. B. Newsletter) verwendet werden.

“Wenn ich einen Event plane, lege ich über die Timeline die Struktur einer Tragödie. Die Dramaturgie bietet ein gutes Maß, wie man gute Geschichten erzählt”, weiß Frank Tentler aus Erfahrung. Gefällt die Geschichte, verbreitet sich das Event viral und ist erfolgreich.

Der Mensch, der Ort und das Web sind Einheiten, die gemeinsame Schnittmengen aufweisen. Diese Erkenntnisse lassen sich ebenfalls für Marketingkampagnen nutzbar machen. Mit einem Ort verbinden die Menschen Emotionen und mit dem Web Interaktionen. Wie kann man diese Schnittpunkte nutzen? Hier wartet Frank Tentler mit eindrucksvollen Beispielen aus seiner Praxis auf.

Stadtmarketing:  Zum Beispiel in Magdeburg gibt es nur eine “Mutterapp”, die alle Daten der Stadt zentral verwalten.

Smart-Places: Plakate mit interaktiven Screens. Das heißt, wenn man mit dem Smartphone auf das Plakat geht, läuft ein Film. “Plötzlich machen sogar Plakate aus meiner Sicht Sinn”, ergänzt Frank Tentler.

Messe: Ortsgebunden die Möglichkeit mit dem Smatphone am Messestand Filme zu schauen.

Reisekatalog: Man fährt mit dem Smartphone über die Ziele im Reisekatalog und kann sich dank der Smartphone-App virtuell in der Anlage bewegen.

FAZIT der BARsession Dortmund

Was ist nach über 60 Minuten geballter Informationen, Tipps, Visionen und Hypothesen der BARsession Dortmund hängengeblieben? “Mobil” ist das Wort das die nächsten Jahre das Marketing bestimmen wird. Umso wichtiger ist es, sich schon jetzt mit dieser Thematik eingehend zu beschäftigen. Eindrucksvoll waren die Denkanstöße des kritischen Social Media Experten. Müssen wir wirklich wie Hunde den Belohnungs-Likes hinterherhecheln? Liegt es nicht gerade an uns, den vielbeschworenen Experten, bewusst und verantwortlich mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft umzugehen? So wie den 120 Teilnehmer ist mir diese BARsession Dortmund noch lange nachgegangen. Gleichzeitig nehme ich auf meine persönliche Zeitreise viele innovative Tipps mit, wie erfolgreiches Marketing in Zukunft aussehen kann – ein “Internet of Everything”.